Arbeitslosigkeit beim Hund, mögliche Forlegen und Abhilfe:


Der Hirte, der mit seiner Herde durch die Berge zieht, in deren Wäldern Wölfe leben, braucht die Hilfe seiner Hunde. Den Tag hindurch hütet er seine Herde auf den Wiesen. Doch nach dem Einsetzten der Dämmerung ist die Zeit der Beutegreifer. Damit der Hirte nicht jede Nacht einige Tiere verliert, leben einige Kangals in der Herde. Der Hirte hat diese Hunde von klein auf bei sich und hält sie in der Herde.
Sie betrachten den Hirten sowie die Herde als ihr Rudel und verteidigen das Leben jedes einzelnen Mitgliedes.
Das ist ihre Aufgabe und erfüllen diese Arbeit sehr eindrucksvoll.

 

Auch der Schäfer, der seine Schafe mit seinem Border Collie von einer Weide auf eine andere treibt, ist auf die Mitarbeit seines Hundes angewiesen.

Überall auf der Welt verrichten Hunde der unterschiedlichsten Rassen ihre tägliche Arbeiten für den Menschen. Sie arbeiten für deren Lebensunterhalt, und haben hierfür teilweise sehr spezielle Fähigkeiten entwickelt. Es gibt Spezialisten für die Jagd, zum Hüten von Vieh, zum Schutz von Haus und Hof und noch vieles weiteres mehr.
Was aber passiert, wenn man Hunde, ohne spezielle Aufgabe in einer kleinen Wohnung platziert ?


In den letzten Jahrzehnten hat sich das Zusammenleben von Mensch und Hund teilweise drastisch verändert. War es früher noch durch den direkten Nutzen, den der Hund dem Menschen brachte, bestimmt, so ist der Hund im modernen Hausstand oft zu einer Art "Luxusartikel" geworden. Die einzige Aufgabe vieler Hunde in unserer Zivilisation besteht häufig nur darin, hübsch auszusehen und dem Halter Freude zu machen. Wir arbeiten den ganzen Tag, um unserem Hund das beste Futter, die beste tierärztliche Versorgung und den besten Trainer zu bieten. Von Spielzeug und anderem Zubehör einmal ganz abgesehen und vergessen dabei nur allzu oft, unseren Hund tatsächlich in unser Leben zu integrieren. Denn nur die gemeinsame Arbeit, das gemeinschaftliche Erleben ist das, was ein Rudel ausmacht, es zusammenschweisst und zu einem ausgeglichenen Wesen führt.


Massive Unterbeschäftigung und mangelnder Sozialkontakt ist eine Qual für jeden Hund.

Eines der grössten Probleme unserer heutigen "Wohlstandshunde" ist demnach die "Arbeitslosigkeit". Hochspezielle Fähigkeiten, und damit verbunden, eine oft beeindruckende Hirnkapazität liegen völlig brach und führen beim Hund zu teils erheblichem Problemverhalten. Ähnlich wie in der Schule unterforderte, hochbegabte Kinder, zeigen auch viele Hunde, wenn sie nicht ausgelastet sind, oft ein auffälliges Verhalten. Die daraus folgenden Probleme sind vielschichtig. Der Hund zerstört z.B. die Wohnungseinrichtung, jagt Jogger und Radfahrer, ist aggressiv gegenüber Artgenossen und vieles mehr. Dabei tun wir doch "alles", damit es dem Hund gut geht. Und das undankbare Tier quittiert sämtliche Anstrengungen mit derart destruktivem Benehmen.
Jetzt muss Hilfe her. Inspiriert durch Bücher und Fernsehsendungen wird das Telefonbuch durchgeschaut und ein Termin vereinbart.
Der Expertenrat: "Ihr Hund ist unterfordert, er muss mehr ausgelastet werden."
Das krasse Gegenteil hierzu ist eher seltener anzutreffen, aber oft nicht minder problematischer, der überforderte Hund.
Man hat sich durch einschlägige Literatur gelesen und schlau gefragt, und möchte auf keinen Fall den gleichen Fehler machen ,wie so viele andere Hundehalter und beginnt von Anfang an, den Bordercollie, schliesslich ist er ein "Arbeitshund", richtig auszulasten.
Das Problem dabei ist aber, dass allzu oft Auspowern mit Auslasten verwechselt wird. Und somit startet man ein ausgeklügeltes Beschäftigungsprogramm: Rad fahren, Agility, Frisbee und Preydummie apportieren, danach Gehorsamstraining und noch mal ans Fahrrad. Das müsste reichen?! Problematisch bei dieser Art von Auspowern ist, dass der Hund häufig in Stress gerät. Zunächst handelt es sich hierbei um positiven Stress. Jeder kennt das Gefühl, wenn man kurz den eigenen Adrenalinspiegel hochschnellen lässt.
Dauert der Stress an bzw. wird der Hund durch kontinuierlich periodisches Auspowern immer wieder erneut in solchen Stress versetzt, wird aus positivem schnell negativer Stress. Adrenalin, Cortisol und andere körpereigene Botenstoffe im Blut finden nicht mehr genug Zeit, abgebaut zu werden. Der Hund steht praktisch ständig unter Strom, er findet kaum mehr Zeit um zu entspannen.
Die Vermutung liegt nahe, dass sich hieraus nicht selten ebenfalls problematisches Verhalten entwickelt.

Natürlich leben wir mit unseren Hunden nicht in der Wildnis und müssen nicht alle paar Tage ein Tier erlegen, um unsere Familie über die Runden zu bringen, doch sollten wir nicht, im übertragenen Sinne, ein Stück dieser Wildnisbedingungen in unser Wohnzimmer zurückholen? Welchen Höhepunkt hat ein Hund, der Stunden lang allein zu Haus auf seinen Halter wartet, jeden Tag um die gleiche Zeit den vollen Futternapf vorgesetzt bekommt? Warum sollte dieser Hund mit seinem Halter kooperieren? Der "Alpha" initialisiert nichts, man erlebt nichts Entscheidendes gemeinsam, und man bekommt alle Primärbedürfnisse ohne eigenes Dazutun befriedigt. Wie gestresst und getrieben hingegen muss sich ein Hund fühlen, dessen übermotivierter Halter ihn von einer Aufgabe zur nächsten hetzt.

Wie so oft liegt der beste Weg genau zwischen den beiden Extremen, der eine Hund möchte etwas mehr und der andere Hund etwas weniger gefordert werden. Aber sinnvolle Beschäftigung brauche sie alle. Wölfe und auch freilebende Hunde, wie die seit Jahrtausenden verwilderten australischen Dingos leben seit jeher in Grossfamilien, meist bestehend aus dem Elternpaar und den Jungen eines oder mehrerer Würfe. Zum Funktionieren eines solchen Rudels muss jedes Mitglied seinen Teil beitragen. Kooperation macht satt. Wer nicht kooperiert, wird schwerlich seinen Platz innerhalb des Rudels behalten dürfen. Der Hund ist also ein sozial lebender Beutegreifer. Wenn wir diese Beschreibung einmal genau unter die Lupe nehmen, finden wir alles, was im Zusammenleben mit unserem Hund wichtig ist.

Sozial lebend bedeutet, der Hund ist angewiesen auf ein Leben in der Gruppe. Das Leben in der Gruppe bedingt eine gewisse soziale Rangordnung. Bei allen in sozialen Verbänden lebenden Tieren ist das so, der Mensch ist dabei eingeschlossen. Ein souveräner Anführer initiiert alle wichtigen Handlungen, zeigt Führungsverhalten und ist bei Gefahr zur Stelle, um seiner Gruppe Schutz zu bieten. Diese verantwortungsvolle Position sollte "müsste" möglichst der Mensch einnehmen. Wir haben als Alphatier nicht nur das Recht Kommandos zu geben, sondern sind vielmehr in der Pflicht und tragen die Verantwortung dafür, Arbeit zu beschaffen, für die Rangniederen zu sorgen und sie zu beschützen, wenn es nötig ist.

Hunde zeigen ausgeprägtesSozialverhalten, eine entscheidende Voraussetzung für die effiziente, auf Kooperation basierende Jagd.

Beutegreifer bedeutet, der Hund wird jagen wollen und muss jagen dürfen. Wenn er aus verständlichen Gründen keine natürliche Beute jagen darf, so müssen wir ihm die Möglichkeit bieten, seine Beutefangmotivation an einer Ersatzbeute auszuleben. Es wäre also grundsätzlich zu überlegen, ob unser Hund nicht einen Teil seines täglichen Futters erarbeiten sollte.

Unter natürlichen Bedingungen verbringt ein Hund "Dingo, Wolf" einen Grossteil seines Alltages damit, nach Futter zu suchen. In menschlicher Obhut verbringt ein Hund einen Grossteil seines Alltages damit, auf sein Futter zu warten. Im Geschäftsleben erhält man die grösste Motivation und Kooperationsbereitschaft seiner Mitarbeiter, wenn diese leistungsbezogen entlohnt werden. Ein nicht zu hohes Grundgehalt verbunden mit einem ausgeklügelten Bonussystem führt hier oft zum grössten Erfolg. Wer durch Leistung etwas erreicht, tut damit auch etwas für sein Selbstwertgefühl. Dies kann mit ein wenig Fantasie auch auf unser Zusammenleben mit dem Hund übertragen werden.

Eine hundegerechte und effektive Auslastung könnte beispielsweise folgender -massen aussehen:

Stellen Sie Ihrem Hund nicht jeden Abend um die gleiche Zeit seinen Futternapf hin und lassen ihn allenfalls noch kurz "Sitz" machen, bevor er fressen darf, sondern verstecken Sie den Napf doch einmal draussen im Garten und lassen den Hund suchen. Oder nehmen Sie einen Teil der täglichen Futterration auf Ihren nächsten Spaziergang mit und legen Sie eine Fährte. Bewährt hat sich hierbei die Verwendung eines so genannten Futterbeutels, der am Ende der Fährte als "Beute" liegt. Aus diesem Beutel wird der Hund nach erfolgreicher Suche vom Menschen gefüttert. Das Legen und Suchen von Futterfährten, das gemeinsame Erlebnis, Erfolg bei der "Jagd" zu haben, stärkt die Bindung und lastet den Hund ungemein aus. Dadurch, dass der Hund das Futter am Ende der Fährte letztlich durch seinen Menschen zugeteilt bekommt, wirkt sich diese "Arbeit" zusätzlich positiv auf die Rangbeziehung zwischen Mensch und Hund aus. Es ist überdies nicht einmal besonders zeitaufwendig und problemlos in einen normalen Spaziergang zu integrieren.
Mann sollte vorab nur das Einverständnis des Landbesitzers einholen, um dadurch unliebsamen Reklamationen vorzubeugen.

Ein anderer Weg ist z.B., wenn man die Futterration mit auf einen Spaziergang nimmt. Auf dem Spaziergang mit seinem Hund einige Übungen aus der Hundeschule absolviert und den Hund mit dem mitgenommenen Futter für das mitmachen belohnt. Die Übungen können von einfacher Art bis anspruchsvoll gehalten werden.
Der Hund kann z.B. dafür belohnt werden, dass er auf einem gefällten Baumstamm (mit genügend Durchmesser) ein Platz zeigt, oder sein Futter in einem grossen Revier zusammen sucht belohnt werden.

Dies sind nur einige Möglichkeiten, seinen Hund wirksam auszulasten, die dem natürlichen Verhalten der Caniden relativ nahe kommt. Bücher zum Thema Beschäftigung von Hunden gibt es mittlerweile viele und der Kreativität des Einzelnen sind kaum Grenzen gesetzt. Solange Hund und Mensch Spass bei der Sache haben und der Hund keinen gesundheitlichen Schaden nimmt, stehen hier viele Wege offen.